Die Fotos von Doreh Schütz flüstern. Kein Getöse, keine große Geste, kein Manifest. Und doch steht alles Kopf. Denn was Doreh Schütz fotografiert, ist nicht nebensächlich. Es ist essenziell. Es ist das, was wir kennen, aber nie wirklich gesehen haben. Sie fokussiert das Übersehene. Doch damit ist nicht das Ungesehene im metaphysischen Sinn gemeint, sondern jenes “Unseen“, das mitten unter uns ist. Ihre Fotografie ist ein Seismograf für das Übersehene. Und zugleich ein radikaler Vorschlag für eine neue Wahrnehmung der Welt. Man kann in ihrer Arbeit die Spur des Bauhauses verfolgen: die Strenge des Rasters, die Kühle der Komposition, die Klarheit der Linie. Doch bei Doreh Schütz wird diese Disziplin nicht zum Formalismus, sondern zur Empathie. Es ist ein empathisches Sehen, ein behutsames Herauslösen der Dinge aus ihrer Umgebung, eine stille Befragung der Wirklichkeit: Wer bist du, Wand? Was erzählst du, Schatten? Ihre Bilder machen und geben Aufmerksamkeit in der Zeit der visuellen Überreizung, der Ikonografie des Sensationellen und fordern uns zum erneuten Hinschauen auf. Sie ziehen uns nicht in den Bann – sie halten uns an, berühren tief. Was sie zeigt, ist eine Schule des Sehens. Kein Spektakel, sondern eine Einladung. Kein Statement, sondern ein Raum. Kein Aufschrei, sondern ein Vibrieren. Und in diesem Vibrieren liegt eine Wahrheit, die leise bleibt – und gerade deshalb überhörbar ist.
doreh schütz
focusing the unseen
Die Kunst des genauen Blicks. „Plötzlich sehe ich in den Gegenständen etwas Neues – eine andere Formgebung, ein anderes Farbspiel –, das für mich die Ausgewogenheit des Augenblicks ausmacht.“ So beschreibt Doreh Schütz den Moment der fotografischen Intuition. Es ist nicht das Objekt, das sich verändert. Es ist der Blick, der eine andere Welt erzeugt. Die Kamera wird zum Zeichenstift und fängt das Licht ein. Ihre Fotografien verweigern sich jedem lauten Gestus. Sie operieren mit minimalen Mitteln, mit ruhigen Farbtönen, mit klarer Linienführung. Sie sind keine Kompositionen im klassischen Sinne, sondern visuelle Konstellationen. Der Blick wird nicht gelenkt, sondern geöffnet. Es ist eine Kunst, die weder erklärt noch illustriert. Sie zeigt – und in diesem Zeigen liegt die Kraft.
Artist
doreh schütz
- Fotografin
- Sammlerpotenzial
Exhibition
May 2025 Munich, „ÄTHER, DU BERAUSCHENDER, KOMM UND STREIF MICH.“ together with Gregor Stehle and Christof Kindlinger, konsum163 contemporary
Publikationen
„FOCUSSING THE UNSEEN”, 2025.
163 ONE SIX THREE | art in print Verlag

Doreh Schütz mit Kamera.
Die stille Macht des Unbemerkten.
Das Reale, das wir nicht sehen. Wenn man durch die Straßen einer Stadt geht, sieht man vieles – und erkennt wenig. Doreh Schütz dreht diesen Prozess um: Ihre Fotografien sind kein Beweis für das Gesehene, sondern eine Einladung zum erneuten Hinsehen. In der Tradition der Neuen Sachlichkeit und des Neuen Sehens, wie es am Bauhaus entwickelt wurde, ist Doreh Schütz keine Flaneurin, sondern eine Forscherin. Ihre Bilder sind Ergebnisse einer Feldstudie, die nicht auf Erkenntnis, sondern auf Resonanz zielt. Das Banale – die geflieste Wand, die Straßenführung – wird zur Bühne einer stillen Transformation. „Ich fotografiere das, was mich hält, nicht das, was schreit. Sondern das, was flüstert“, sagt Doreh Schütz.

GELB, 2020, TREPPE 2020, OHNE TITEL, 2018, je 65 x 50 cm
Das Übersehene sichtbar machen.
Fokussieren als Widerstand. In einer Welt, in der fotografische Überproduktion zur Norm geworden ist, ist das gezielte Weglassen eine künstlerische Geste. Doreh Schütz macht keine Serien, keine Wiederholungen, wenig Variationen. Sie fotografiert jedes gefundene Motiv einmal. Vielleicht zweimal. Mehr nicht. Jedes Auslösen zählt. Diese ökonomische Genauigkeit kommt aus der Zeit der Dunkelkammer – aus der Zeit, als jedes Negativ kostete. Und sie bleibt bei diesem ästhetischen Imperativ. Ihre Bilder erzeugen Bedeutung nicht durch Vielheit, sondern durch Konzentration. Es ist ein Sehen, das Verzicht übt – und darin Fülle findet.

ROTES KLEID, 2017, 42 x 32 cm
„Focusing the Unseen“ – ist keine Technik, sondern eine Haltung.
Eine Ästhetik der stillen Intensität.
exhibitions und bio
2024
Pasinger Fabrik, Gruppenausstellung, München
Kunst in Sendling, Gruppenausstellung, München
Pulpo Gallery, München
Dreimühlentage, Nina Ehmck, München
Ausstellung Louis Hotel, München
Panta Rhei, München
Ausstellung Nina Ehmck, München
artMUC, Messe, München
Kunst in Sendling, München
Kunst in Sendling, München
Doreh Schütz wird 1966 im geteilten Berlin geboren, als Tochter einer deutsch-iranischen Familie. Die Stadt, in der Trennung Alltag ist, prägt früh ihren Blick für das Verborgene, das Randständige, das Übersehene. Schon als Jugendliche zieht es sie zur Fotografie. Ihr erster Apparat: eine Rollei 35 mm, geschenkt vom Großonkel, der nicht mehr reisen will. Der Appell der Großtante, sie solle Foto- grafin werden, wirkt wie eine leise Bestimmung. Doch der Weg zur Kunst verläuft zunächst über die Dunkelkammer. Doreh Schütz wird Fotolaborantin. Die analoge Disziplin schärft ihre Aufmerksamkeit. Später geht sie nach Hamburg, arbeitet in der Werbung, lernt dort ihren Mann kennen – Art Director, der ihr ästhetisches Empfinden ergänzt und vertieft. Die Fotografie begleitet sie in all den Jahren. Nach der Familienphase beginnt sie neu – diesmal entschieden. Sie kauft eine digitale Kamera, besucht eine private Fotoschule, unterzieht sich einem intensiven Selbststudium. Ihre Arbeiten entwickeln eine eigene Sprache: grafisch, still, klar und reduziert. Es folgen zahlreiche Ausstellungen, darunter in München, wo sie heute lebt und arbeitet: Pulpo Gallery, Pasinger Fabrik, Dreimühlentage, Roche Bobois, Kunst in Sendling. Ein künstlerisches Leben – unaufdringlich, klar, essenziell.