Vergessen Sie erst einmal alles, was sie über Kunstrichtungen wissen. Natürlich könnte man die Künstlerin grob dem abstrakten Expressionismus zuordnen, ein bisschen Informel dazugeben und mit allerlei aktuellen Strömungen der zeitgenössischen Malerei würzen, aber damit werden wir Chris Kamprad nicht gerecht. In der Kunst hat das Zeitalter der Künstler-Persönlichkeiten Einzug gehalten. Heute steht der Künstler im Mittelpunkt und sein Werk ist die Reflexion seines MindSets. Die Kunst ist damit ein Individuum und keiner Strömung mehr verpflichtet. Sie wandelt sich, so wie sich der Mensch im Künstler verändert. Und oft ist das äußere Abbild sowohl des Künstlers als auch des Werks irreführend. So geschehen auch bei Chris Kamprad, die ich über die üblichen digitalen Medien entdeckt habe und sehr beeindruckt war von ihrer gewaltigen Farbvirtuosität und der Feinheit ihres Striches. Doch wie so oft ist die Online-Realität ein matter Abglanz der realen Welt.
Als ich das erste Mal in ihrem Berliner Studio stand, war da eine zierliche, fast zarte, junge Frau, die mir Kunstwerke zeigte, die eine solche immense Kraft ausstrahlen, dass sie einen förmlich wegpusten. Mein erster Gedanke: „Die hat ja nen Urknall im Kopf“ und diese universelle, unerschütterliche Kraft ist in allen ihren Werken spürbar. Sie malt, was man so schwer in Worte fassen kann. Die Wahrheit dahinter. Und wer sich mit Chris Kamprad unterhält, spürt es selbst, dass sie manchmal durch einen hindurchschaut oder sogar durchschaut.
Carsten Lehmann
Curator